Sie sind hierRostocker protestieren mit zivilem Ungehorsam gegen die Existenz von Atomwaffen hier in Deutschland: unser Büchel-Bericht
Erstellt am 2. April 2015 - 14:35
Was bringt 11 Rostocker dazu, den weiten Weg in die Eifel auf sich zu nehmen, um am Atomwaffenstandort Büchel gegen die immer noch verbliebenen Atomwaffen mit dem Mittel des zivilen Ungehorsams zu protestieren und auf die mit den Atomwaffen verbundenen Gefahren aufmerksam zu machen? Am 26. März 2010 fasste der Bundestag mit großer Mehrheit aller damals im deutschen Bundestag vertretenen Parteien den – leider nicht als bindendes Gesetz formulierten - Beschluss, dass alle Atomwaffen von deutschem Boden abgezogen werden sollten. Das entspricht bis heute dem breiten Willen innerhalb der deutschen Bevölkerung. Keine der bisherigen Regierungen ist diesem Beschluss des Parlaments nachgekommen. Im Gegenteil, sie haben die Ersetzung dieser gefährlichen Massenvernichtungswaffen durch neue, präzisere und flexibler einsetzbare atomare Waffen – ihre so genannte Modernisierung – befürwortet. Gleichzeitig haben deutsche Soldaten den Auftrag, mit ihren Tornados Transport und Abschuss dieser Waffen ins mögliche Zielgebiet zu üben. Damit halten deutsche Bundesregierung und NATO die Waffen für einen atomaren Erstschlag verfügbar. Es geht aber nicht nur um die Atomwaffen, die in Kriegen töten. Allein durch die Existenz einer weltweit vernetzten Atomwaffenindustrie (auch mit ihrer „zivilen“ Kehrseite) sind bisher schon Millionen verstrahlter Opfer zu beklagen. Selbst ohne den militärischen Einsatz von Atomwaffen ist die machtpolitische Diskrepanz zwischen den 9 Atommächten und über 170 Staaten, die keine der mehr als 16 000 Atomwaffen auf der Welt besitzen, ein ständiger Konfliktherd für Kriege, die uns mittlerweile die höchsten Flüchtlingszahlen seit dem Zweiten Weltkrieg bescheren. In dem aufgeheizten Klima der Ukrainekrise und der neuen Blockkonfrontation in Europa und der Welt wird ein Einsatz atomarer Waffen heute immer wahrscheinlicher. Nicht umsonst hat das international renommierte Bulletin of the Atomic Scientists die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes erneut höher eingestuft, indem sie ihre berühmte Doomsday-Uhr von 5 Minuten auf 3 Minuten vor 12.00 Uhr vorgestellt hat. Dieser Skandal, der jede Stadt, jeden Ort, jeden einzelnen Menschen bedrohen kann, führte bei einer Gruppe von Rostockern dazu, dem Aufruf der bundesweiten Aktion „büchel65“, an 65 Tagen mit gewaltfreien Sitzblockaden den Betrieb auf dem Stationierungsort zu stören, zu folgen, um so mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams die deutsche Bundesregierung zu einer Korrektur ihrer Atomwaffenpolitik zu bewegen. Wir, Mitglieder des Rostocker Friedensbündnisses und des Rostocker Anti-Atombündnisses, widmeten uns also am 27. März Tor 1 und Haupttor des Fliegerhorstes Büchel. Zwar verhinderte die Polizei eine Sitzblockade unserer Gruppe vor der Haupteinfahrt zu diesem Atomwaffenstützpunkt und sprach mehrere Platzverweise aus, bei Verstoß wurde Gewahrsam angedroht. Wir blieben aber vor Ort, verteilten Flugblätter und zeigten Transparente und Fahnen. An der vorbeiführenden Bundesstraße hochgehalten und an einer Brücke in der Nähe von Tor 1 befestigt, machten sie die Vorbeifahrenden aufmerksam und lösten nicht wenige zustimmende Reaktionen aus. Das Geräusch startender Tornados vermittelte uns dabei das Gefühl, das Menschen in Kriegsgebieten von Begegnungen mit bundesdeutschen Waffen bereits kennen. Aber auch unser persönlicher Einsatz wurde gewürdigt. „Ich war beeindruckt von der älteren Frau, die vor dem Tor am Rand der Straße bei kaltem Regen und Wind mehrere Stunden auf ihrem Stuhl ausgeharrt hat“, war das Resümee eines Landwirts, der in der Nähe des Atomwaffenstandortes seinen Hof betreibt. Um 3 Minuten vor 12.00 Uhr, entsprechend der aktuellen Anzeige der „Doomsday Clock“, beendeten wir unsere Aktion. Wir sind recht zufrieden, haben neue Erfahrungen gemacht und schlagen allen vor, die Aktivitäten im Rahmen von „büchel 65“ weiter zu verfolgen. Bis zur internationalen Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York Ende Mai werden sie fortgesetzt. Aktuelle Informationen hier: www.buechel-atomwaffenfrei.de/buechel65/
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