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DIG-Hochschulgruppe verurteilt Kampagne gegen Ilja-Ehrenburg-Straße

Wir dokumentieren eine Pressemitteilung der Rostocker Hochschulgruppe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft vom 3. März 2012:

Die DIG-Hochschulgruppe hat mit Unverständnis die Ankündigung von Oberbürgermeister Roland Methling zur Kenntnis genommen, die „seit elf Jahren währende Diskussion um eine Umbenennung der Ilja-Ehrenburg-Straße“ wiederaufzugreifen. Durch diesen Vorstoß müssen sich all jene Kräfte ermutigt fühlen, die in den vergangenen Jahren auf die Tilgung eines der verbliebenen antifaschistischen Erinnerungsorte hinarbeiten. Die Bürgerschaft hatte im letzten Jahr mit der Ablehnung eines entsprechenden NPD-Antrages diesen Bestrebungen vorläufig Einhalt geboten.
Wir verurteilen aufs schärfste die verleumderischen Angriffe auf Ilja Ehrenburg, die – in Übernahme der NS-Propaganda – aus dem jüdischen Antifaschisten einen „Mordhetzer“ machen. Ehren­burgs „Hass-​Artikel“ rich­te­ten sich nicht gegen „das deut­sche Volk“ in sei­ner Ge­samt­heit, son­dern gegen die Hitlerwehrmacht, als diese die Sowjetunion – wie zuvor eine Reihe anderer europäischer Staaten – mit Krieg überzog. Somit zielt die infame Behauptung, Ehrenburgs Handeln zöge „nach heutigem Recht“ eine „strafrechtliche Verfolgung“ nach sich, unmittelbar darauf ab, jedwede propagandistische Aktivität zugunsten der Anti-Hitler-Koalition zu delegitimieren. In dieser Logik hätte sich auch jeder Franzose, der während der hitlerdeutschen Okkupation die Marseillaise sang, strafwürdig verhalten.
In der Perspektive der deutsch-israelischen Freundschaft sei hier daran erinnert, dass die Ehrung der jüdisch-sowjetischen Veteranen der Roten Armee und namentlich Ilja Ehrenburgs Teil der Gedenkkultur der israelischen Republik ist. Ilja Eh­ren­burg gebührt das Verdienst, zu­sam­men mit Was­si­li Gross­man das Schwarz­buch über den Ge­no­zid an den so­wje­ti­schen Juden geschaffen zu haben, eine sys­te­ma­ti­sche Do­ku­men­ta­ti­on über die plan­mä­ßi­ge Er­mor­dung jü­di­scher So­wjet­bür­ger durch die Hit­ler­fa­schis­ten.
Es wird auch unvergessen bleiben, dass Ehrenburg sich Stalin mit großem Mut verweigerte, als dieser die sowjetischen Juden mit einer „antizionistischen“ Kampagne überzog.
Unsere Hochschulgruppe wird sich allen Versuchen einer revanchistisch motivierten Umdeutung des publizistischen Wirkens Ilja Ehrenburgs entgegenstellen. Wir solidarisieren uns mit Bestrebungen wie denen der Initiative Ilja Ehrenburg, solchen Kampagnen durch historische Aufklärungsarbeit argumentativ zu begegnen. Von den zuständigen Körperschaften und Behörden erwarten wir, dass sie auch die erneute Umbenennungskampagne Makulatur werden lassen.
Geschrieben von: Daniel Leon Schikora
Zur Internetpräsenz der Hochschulgruppe: